Adam Winkler kam am 19. September 1897 in Gruorn im damaligen Oberamt Urach als Sohn des Johannes Winkler und der Anna Maria, geborene Bleher, auf die Welt. Sein Vater war Schmied. Er hatte 24 Grundstücke. Als die Mutter am 4. Januar 1917 starb, kämpften der Vater Johannes und sein Sohn Adam zu dieser Zeit als Soldaten im Ersten Weltkrieg. Deshalb wurde der Onkel Johann Georg Bleher als Vormund für die noch nicht volljährigen Kinder Adam und Rosina vom Königlichen Vormundschaftsgericht eingesetzt. Die Grube lag von unserem Zuführungsort ziemlich weit weg, denn das Erschießen der Gefangenen haben wir nicht gehört. Den Gefangenen erklärte man, als sie sich nackt ausziehen mußten, dass sie baden müßten. Während der Erschießungsaktion war es uns nicht erlaubt, in die Nähe der Grube zu gehen. Erst als die Erschießungsaktion beendet und die SS-Leute abgefahren waren, haben wir uns an die Grube begeben, welche so groß war, dass vier Tote nebeneinander Platz zum Liegen hatten. Die Grube, die ich besah, war schon ziemlich voll mit Leichen. Es waren durchweg Männer gewesen, obwohl man hörte, dass auch „Flintenweiber“ erschossen worden seien. (…) Ich möchte noch erwähnen, dass das Erschießen von Gefangenen mehrere Tage lang dauerte, denn es kamen praktisch immer andere Soldaten zu diesem Einsatz, auch von anderen Kompanien. Ich selbst war, wie gesagt, ebenfalls einen halben Tag, vom Vormittag bis zum Mittag, zur Gefangenenbeförderung im Wald abgestellt. Ob auch bei den erschießenden SS-Leuten, deren es, wenn ich mich recht erinnere, immer drei waren, ein Wechsel erfolgte, weiß ich nicht.“ (Otto F.)
Später arbeitete der ledige Adam Winkler als Knecht in Gruorn. Er wurde mehrmals wegen Betrugs verurteilt. Dabei ging es meist darum, dass Winkler sich unter einem Vorwand Geld lieh und nicht zurückbezahlte. Erstmals wurde er am 16. November 1920 vom Amtsgericht Ulm verurteilt und war dann bis zum 9. Januar 1922 inhaftiert.
Sechs Jahre später wurde er wegen „Betrugs im Rückfall“ verurteilt, ein Jahr später war er erneut wegen Betrugs vor Gericht. Von Anfang Juli bis Ende September 1930 verbüßte er seine Strafe. Im April 1931 musste er sich erneut vor dem Schöffengericht Ulm verantworten.
Adam Winkler hatte 1923/24 eine Lehrerin aus Rottweil in Hohenstadt (Oberamt Geislingen) kennengelernt. Bei einer Zugfahrt im Mai 1929 traf er sie erneut und besuchte sie, die inzwischen in Unterkirchberg (Oberamt Laupheim) unterrichtete, danach regelmäßig. Das Gerichtsprotokoll stellte fest: „zum Teil bis zum Morgengrauen“. Die Freundin lieh im auf seine Bitte hin Geld unter der Bedingung, dass Adam als Erntehelfer bei ihrem Bruder arbeite, um das Geld zurückzuzahlen. Winkler zahlte die 100 RM auch innerhalb eines Monats mit Zins zurück. Im Juni 1929 bat er erneut um 50 RM, die er dann aber trotz verschiedener Mahnungen nicht zurückzahlte.
Winkler trug vor, dass seine damalige Freundin den Rückzahlungstermin „in sein Belieben“ gesetzt habe. Das Gericht billigte ihm „mit Rücksicht auf die offenbar vorhanden gewesene Notlage (…) mildernde Umstände zu.“ Sowohl die Berufung vor dem Landgericht Ulm als auch die Revision vor dem Oberlandesgericht Stuttgart am 8. August 1931 bestätigten („ weil der Angeklagte […] von Anfang an entschlossen gewesen ist, das Geld nicht zurückzuzahlen“) die Gefängnisstrafe von 3 Monaten und 15 Tagen.
Mitte Januar 1935 starb auch Adams Vater in Gruorn.
Am 17. Februar 1937 verfügte das Landratsamt Urach, dass der Ort innerhalb von zwei Jahren zur Vergrößerung des 1895 eingerichteten Truppenübungsplatzes Münsingen geräumt werden müsse. Die Umsiedlung der 665 Einwohner in württembergische, badische und bayerische Orte war bis Kriegsbeginn zum 1. September 1939 fast vollständig abgeschlossen. Am 10. April 1942 gab der württembergische Gauleiter Wilhelm Murr offiziell die Auflösung der Gemeinde Gruorn bekannt. Einige wenige, meist minderbegüterte Personen, harrten trotzdem weiterhin in ihren Häusern aus.
Die Gebäude des Dorfes dienten nach der Entvölkerung als Kulisse für
Am 8. Februar 1940 wurde Adam Winkler zur Wehrmacht als Schütze im 16. Landes-Schützenbataillon 405 eingezogen. Das Landes-Schützenbataillon V/V war bei der Mobilmachung am 26. August 1939 in Stuttgart-Bad Cannstatt aufgestellt worden,
„Das Bataillon bestand aus vier Kompanien, die die verschiedenen Gefangenenlager zu bewachen hatten. Der Standort des Bataillons wechselte: von Drobitsch (Drohobycz) nach Stryj [(Polen), dann Stanislau und in Tarnopol (heute:
„Während meines Dienstes in der 1. Kompanie war ich fast zwei Jahre im Stammlager Drohbitz (ehemaliges Gefängnis) eingesetzt, wo cirka 7.000 bis 8.000 Russen gefangen waren. Fleckfieber war dort weit verbreitet. (Wilhelm B.)“
„Am 27.12.41 erkrankte ich an Fleckfieber, das sowohl in diesem Kriegsgefangenlager als auch in unserer Einheit grassierte. Es gab sowohl unter den deutschen Soldaten als auch unter den russischen Kriegsgefangenen viele Todesfälle.“ (Otto F.)
„Die Zeit bis zum Rußlandfeldzug war eher Bereitschaft. Danach wurde es anders: Das ganze Bataillon wurde zur Gefangenenbeförderung, die ausschließlich zu Fuß erfolgte, eingesetzt. Im dortigen Raum befanden sich drei Gefangenenlager mit jeweils 40.000 Mann. Wenn keine Gefangenentransporte zu erledigen waren, wurden wir zum Wachdienst in eines der Gefangenenlager eingesetzt. Die Gefangenen wurden uns von den Kampftruppen der Wehrmacht gebracht - soweit ich weiß – in Fußmärschen. (Otto F.)
„Gesprochen wurde innerhalb der Kompanie-Angehörigen, dass Teile der 1. Kompanie russische Kriegsgefangene in einen Wald führen mussten, die dort erschossen werden sollen. So wie ich den Sachverhalt damals erfahren habe, haben die Angehörigen der Kompanie diese Gefangenen nur in den Wald bringen müssen. … Die Schüsse habe ich gehört und im Soldatenheim in Stanislau wurde darüber gesprochen.“ (Hermann D.)
„Vom Kompaniechef wurde von einem Geheimbefehl Hitlers erwähnt und der Kompanie mitgeteilt, nachdem ein bestimmter Prozentsatz von Gefangenen zu liquidieren wären. Kriegsgefangene wurden in einen Wald geführt. Ich selbst war einen halben Tag dazu befohlen, Gefangene, die entweder mit Fahrzeugen oder per Fußmarsch an einen Waldrand gebracht worden waren, in Empfang zu nehmen und weiter in das Waldinnere zu geleiten. Dort wurden die Gefangenen, nachdem sie sich ausgezogen hatten, von zwei deutschen Soldaten, die ich nicht kannte und auch nicht von unserer Einheit stammten, mit Draht zu je vier Mann zusammengebunden, und zwar an den Handgelenken. Von dort wurden die zusammengebundenen Gefangenen von wieder anderen Soldaten zu einer entfernter liegenden Grube gebracht, wo sie von SS-Leuten, welche zuvor mit einem deutschen Jeeb(!) angefahren kamen, erschossen und in die Grube geworfen worden sind.
„In Cholm [Chelm] war ich ein Mal zur Absperrung eines Waldstücks abkommandiert, in dem Kriegsgefangene aus dem dortigen Lager erschossen wurden. Mit der Erschießung dieser Personen waren keine Angehörigen meiner Einheit beauftragt. … Da ich sehr weit von der Exekutionsstätte entfernt war, habe ich die Vorgänge nicht gesehen, sondern nur die Schüsse gehört. … Es war an einem Herbsttag. Die Erschießungen fanden zwischen 9.00 Uhr und 15.00 Uhr statt. Meiner Erinnerung dürften etwa 300 Personen erschossen worden sein. … Ich glaube mich erinnern zu können, dass für den Einsatz in Stanislau von meiner Einheit nur ein Teil der 1. LSB 405 abgestellt war. (Alfred K.)
„Ich war beim Kompanie-Sanitäts-Hilfsdienst. Oberleutnant B., der die Wachen kontrollierte, traf mit mir zusammen. Dieser sagte mir: „Haben Sie dieses schon gesehen? Das ist eine Sauerei und kein Krieg!“ Er nahm mich dann mit in den cirka 200 Meter entfernt liegenden Wald, wo in einer kleinen Mulde fünf bis sechs Menschen an den Händen mit Draht zusammengebunden nackend auf der Erde saßen. Zwei Soldaten unserer Kompanie führten diese nackenden Gefangenen zu einer etwa 150 m entfernten Mulde, welche auf einer Lichtung lag. Dort standen fünf bis SS-Leute. Diese schossen mit Pistolen […] Gefangenen in den Hinterkopf, so dass diese in die ausgehobene Grube fielen, wo schon nackte Menschen, durchweg Männer, gelegen haben. Ich schätze, dass es sich um etwa 800 Leichen gehandelt haben durfte.
Der ganze Wald war durch deutsche Soldaten, wobei auch Kompanieangehörige eingesetzt waren, abgesperrt. Auf dem Rückweg ins Lager sah ich dann, dass von den Bewachungsmannschaften weitere Gefangene in Trupps von 30 bis 40 Mann in den Wald geführt worden sind. Das hügelige Gelände half mit, dass man das Schießen im Wald im oder am Lager nicht mehr vernehmen konnte. (…) Hätte mich Leutnant B. nicht auf das Erschießen der Gefangenen aufmerksam gemacht und nicht in den Wald (…) mitgenommen, wäre mir dieser Vorfall vermutlich nicht zur Kenntnis gelangt.(…)
Es hat nur ein einziger unserer Einheit, ein Feldwebel, geschossen. Als ich Zeuge wurde, hat er gerade einen Gefangenen erschossen. Vorher hatte er das Pistolenmagazin aufgefüllt und ich vermute deshalb, dass er schon vor unserem Eintreffen Gefangene an der Grube mit erschossen hatte. (…) Ob der erwähnte Feldwebel zum Erschießen der Gefangenen befohlen worden war, muss ich verneinen. Er tat dies freiwillig, was ich sehr gemein fand. Dieser Feldwebel führte in unserer Kompanie den 1. Zug.“ (Erich K.)
Da diese Exekutionen offensichtlich Gespräch unter den Soldaten waren, hat Adam Winkler sie sicher mitbekommen. Möglicherweise gaben sie den Ausschlag für seine Desertion. Die Erkennungsmarke von Adam Winkler nennt auch das 5. Flak-Ausbildungsregiment 43 - in dessen Listen taucht der Name Winkler aber nicht (mehr?) auf. Ab dem 9. Juli 1942 war Winkler zur Untersuchung seines Geisteszustands im Reservelazarett Winnenden, als Diagnose wird dort „unstet“ und „asocial“ vermerkt.
Am 25. August wurde er als „kriegsverwendungsfähig“ in die Wehrmachtshaftanstalt Ludwigsburg zurückgebracht und konnte damit vom Gericht der Division (mot) 155 zum Tode verurteilt werden. Am 10. Oktober 1942 wurde Adam Winkler um 8:05 Uhr hingerichtet, am 14. Oktober beerdigt. Auf dem Friedhof in Gruorn steht sein Name am Denkmal der Gefallenen des 2. Weltkriegs.
BBArch B 563-2 Kartei der Verlust- und Grabmeldungen gefallener deutscher Soldaten 1939-1945 (-1948)
BArch B 578/M 3781 Krankenbuch Nr. V, Bl. 129, lfd. Nr. 771
BArch B 563-1 Kartei W-1562_125
Zentrale Stelle AZ VI 302 AR-Z 40/68
StadtA LB L67 Zg. I/25/1984Nr. 1,6
StALB EL48/2, Bü 2427
StALB E 350 a Bü 5254
HStA Stuttgart A 575 Bü 455
HStA Stuttgart A 575 Bü 635
HStA Stuttgart A 575 Bd 1108
HStA Stuttgart A 575 Bd 1178
StadtA Kirchheim u.T. D Bü 1814_114
KreisA Reutlingen M13 Nr. 97
StadtA Münsingen, Geb.urkunde A. Winkler
Bischoff-Luithlen, Angelika: Gruorn - ein Dorf und sein Ende, Münsingen 3. Aufl. 1982
Lexikon der Wehrmacht: https://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Gliederungen/LandschtzBat/LandschtzBat405-R.htm
Fotografie von Rekruten – darunter Adam Winkler (welcher er ist, konnte bisher nicht festgestellt werden)
Eine Schmiedearbeit von Adams Vater Johannes gestaltete das Grab von Adams Mutter Anna Maria auf dem Friedhof von Gruorn.
Eine französischsprachige Postkarte dokumentiert das Geisterdorf, zu dem Gruorn in der Zeit des Truppenübungsplatzes geworden war-
Während der militärischen Nutzung des ehemaligen Dorfes wurde die evangelische Kirche zerstört – inzwischen ist sie renoviert.
Adam Winklers Grabstein auf dem Ludwigsburger Alten Friedhof
Auf dem Kriegerdenkmal des Friedhofs von Gruorn wurde Adam Winkler ohne Hinweis auf sein Schicksal mit genannt.
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