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Das MahnDenkMal ist eingeweiht

Kriegsgericht und Morde sind Teil der örtlichen Geschichte – den Frieden zu fördern ist bleibende Aufgabe vor Ort


Das Neckartal bei Ludwigsburg war Schauplatz von grausamen Morden, die das Nazi-Regime an Männern aus Frankreich, Belgien und Deutschland beging. Nach jahrelangen Recherchen und einer relativ kurzen Kampagne zum Sammeln von Geld für die Umsetzung wurde am 18. November 2023 das MahnDenkMal Schießtal eröffnet.

Zur Einweihung kamen zahlreiche Menschen – allgemein Interessierte und auch solche, die das Projekt in den letzten Monaten unterstützt hatten. Die Ludwigsburger Stolperstein-Initiative hatte vor weniger als einem Jahr der Öffentlichkeit das Projekt vorgestellt und Spenden gesammelt, um mit einer auffallenden Skulptur an die im Schießtal Ermordeten zu erinnern. Zahlreiche Privatpersonen, Stiftungen, Verbände und Gewerkschaften und die Stadtverwaltungen und Gemeinderäte aus Ludwigsburg und Remseck hatten das Vorhaben nahe der Ortsgrenze zwischen Ludwigsburg und Remseck unterstützt.

Walter Mugler aus der Stolperstein-Initiative Ludwigsburg, der die Schicksale der mindestens 68 hier ermordeten Männer erforscht hat, stellte das Projekt in einem kompakten Beitrag vor (siehe unten). Ein Angehöriger eines in Ludwigsburg erschossenen deutschen Soldaten und zwei Nichten eines hier ermordeten Franzosen nahmen an der Veranstaltung teil.

Die Oberbürgermeister von Ludwigsburg und Remseck, Dr. Matthias Knecht und Dirk Schönberger, unterstrichen in ihren Redebeiträgen die Verantwortung der Städte und ihrer Menschen, die Geschichte zu kennen und zu verstehen und daraus ein Verhalten abzuleiten, das Frieden fördert und Hass und Diskriminierung bekämpft.


  • Das MahnDenkMal – Einweihungs-Rede von Walter Mugler


    Wir freuen uns, dass wir das Projekt der Stolpersteine, das MahnDenkMal Schießtal, heute einweihen können. Die Konzeption für die Skulptur stammt vom leider vor zwei Jahren verstorbenen Werner Unseld, der diese mit unserer Architektin Frau Österlein entwickelt hat.

    Mit dem MahnDenkMal Schießtal wird auf einen bisher blinden Fleck in der Stadtgeschichte Ludwigsburg hingewiesen. Ludwigsburg war während des Zweiten Weltkrieges Sitz von Militärgerichten und so wurden auf Ludwigsburger Gemarkung viele Todesurteile vollstreckt. Heute ist das Gelände des früheren Schießplatzes aufgrund eines Gebietstausches in den 1990er Jahren teilweise auf Ludwigsburger Gemarkung - dort ist der ehemalige Kugelfang - und teilweise auf Remsecker Gemarkung - da waren früher die Schießbahnen. Ein Gebäude, in dem heute die DLRG ihr Vereinsheim hat, ist hier im Gewerbegebiet Schießtal noch als historisches Gebäude des damaligen Schießplatzes übrig geblieben. Dieser Schießplatz war Hinrichtungsstätte für mindestens 68 Männer: Widerstandskämpfer aus Frankreich und Belgien, die für ihr Land kämpften, und deutsche Soldaten, die nicht mehr für Hitler kämpfen wollten.

    Wir wollten diesen Menschen in der Nähe der Hinrichtungsstätte ein Mahn-Denkmal setzen, damit sie nicht vergessen sind. Wir wollen auch den Angehörigen im Rahmen unserer Möglichkeiten ihre Würde zurückgeben. Die Menschen sind tot. Aber nur die sind wirklich tot, an die sich niemand erinnert, sagte der Dichter Bertold Brecht.

    Das MahnDenkMal führt mit den umgekehrten Pfeilen vor Augen, in welcher Richtung die Heimat der Erschossenen war und dass hier mit der Pfeilspitze das gewaltsame Ende ihres Lebenswegs war. Aus gestalterischen Gründen sind nicht 68 Pfeile hier umgesetzt, sondern 13 Pfeile anteilmäßig für alle Opfergruppen.

    Das Schild hier, das an die Form eines Stoppschildes erinnert, nimmt die Verkehrszeichen-Symbolik auf. Es wird die vorbeikommenden Radfahrer auf die Hintergründe der Skulptur hinweisen und mit QR-Codes auf die laufend aktualisierte Homepage des Projektes leiten: Dort sind nähere Informationen zum Leben und zu den Opfern zu lesen. Vieles ist uns dazu noch nicht bekannt, von einigen Opfern haben wir nicht einmal Bilder.

    Durch die Beschäftigung mit dem Schicksal der Erschossenen weist das Mahn-Denk-Mal für mich persönlich nicht nur auf lange in der Stadtgesellschaft nicht wahrgenommene historische Fakten hin. Die Skulptur schlägt auch den Bogen zur heutigen Zeit. Der brutale Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine fordert zum einen das unbedingte Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Das gilt für die russischen Männer, die in Westeuropa Schutz suchen. Deutschland hat bisher nur rund 90 russischen Deserteuren und Kriegsverweigerern Asyl gewährt von rund 3.500 eingegangenen Asylanträgen wehrpflichtiger Russen seit Beginn des russischen Angriffskriegs. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gilt aber auch für die ukrainischen Männer, deren Recht durch das aktuelle Kriegsrecht in der Ukraine aufgehoben wurde.

    Das MahnDenkMal verweist aber auch mit den Opfern des belgischen und des französischen Widerstands darauf, dass die Bevölkerung eines Landes, das angegriffen und besetzt wird, das unbedingte Recht hat, sich auch mit Waffen dagegen zu wehren. Auch diese Widerständler wurden damals mit Waffen aus Großbritannien unterstützt. Insofern ist es auch ein MahnDenkMal für die heutige Zeit.

    Wir leben einer Zeit, in der in allen Ländern, an deren Opfer das MahnDenkMal erinnert, der Nationalismus zunimmt und rechte Parteien und Bewegungen wieder erstarken. Wir hier in Deutschland, deren Vorfahren einen mörderischen Krieg gegen alle Völker Europas geführt haben, haben aber eine besondere Verantwortung. Es kann uns nicht egal sein, wenn ein Fünftel des Wahlvolkes der Partei folgen will, die diese Zeit des Faschismus wieder hoffähig machen will - sei es, dass sie das Mahnmal gegen die Vernichtung der Juden als „Denkmal der Schande“ bezeichnet oder die Zeit des Nationalsozialismus als „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte. Wir als Demokraten müssen deshalb jetzt dagegen aufstehen: „Nie wieder ist jetzt!“ Deshalb hat das Projekt gerade auch heute eine wichtige Funktion.

    Erfreulich ist, dass die Gemeinderäte der Städte Ludwigsburg und Remseck sich ihrer historischen Verantwortung bewusst wurden und das MahnDenkMal durch Spenden unterstützt haben. Möglich wurde die Verwirklichung auch durch die breite Unterstützung aus der Bevölkerung und durch Gewerbetreibende sowie Stiftungen.

    Wir von der Stolperstein-Initiative wollen nun versuchen, mit Schulen und Jugendorganisationen Lerngänge und Fahrradtouren zu organisieren, damit diese Skulptur auch für die nächste Generation mahnt und zum Denken anregt. Vielleicht gelingt dies auch im Rahmen der Städtepartnerschaft mit französischen Jugendlichen.

    Liebe Anwesende, vielen Dank für Ihren Besuch heute! Es wäre schön, wenn Sie im Frühjahr zur nächsten Radfahr- oder Spazier-Saison mit Ihren Familien und Freunden hierherkommen und ihnen das MahnDenkMal zeigen und erklären. Noch ein Hinweis: am 15. Dezember wird im Rahmen des Studium Generale in der Volkshochschule Ludwigsburg ein Vortrag und Gespräch zum MahnDenkMal Schießtal stattfinden. Vielen Dank!

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